Hannover für Bürgerinnen, Bürger
und Fremde erlebbar machen

Über 60 Jahre HANNOVER WOCHE ihre Geschichte
und ihr Gründer Gerhard Milter (gest. 2006)

In der nun über 60jährigen Geschichte der HANNOVER WOCHE ist sie zu ungezählten großen und kleinen Ereignissen in Hannover erschienen, hat auf sie aufmerksam gemacht und über sie berichtet.
Diesen Dienst, Hannover Fremden und auch Einheimischen erlebbar zu machen, hat Gerhard Milter von Anfang an geleistet. Er hat zum richtigen Zeitpunkt eine Marktlücke erkannt und eine lokale Zeitschrift geschaffen, die sich durchsetzte und im Laufe der Jahrzehnte gegen die vielfältige Konkurrenz behauptete.
Das war wenige Monate nach der Währungsreform ein wagemutiger Schritt. Die Stadt war durch die alliierten Bombenangriffe zerstört. Wie viele Hannoveraner lebte Milter mit seiner Familie außerhalb, im idyllischen Bad Pyrmont. Arbeit bot ihm der einst mondäne, nun mit Flüchtlingen und Kriegsversehrten vollgestopfte Kurort nicht. Vor allem nicht in seinem Beruf. Milter hatte als Ingenieur bis Kriegsende auf einer Hamburger Werft gearbeitet. An einen Wiedereinstieg war nicht zu denken. Er sprang ins kalte Wasser, versuchte sich in einem ihm bis dahin unbekannten Geschäft.
In Bad Pyrmont wurde die Firma I. Milter, Vertrieb künstlerischer Preislisten für Gaststätten und Hotels gegründet. Das "I" steht für Ilse, die Frau von Gerhard Milter. Während des Krieges hatte der Lindener Butjer, aufgewachsen am Deisterplatz im Schatten der wuchtigen Fassaden der Hanomag und umweht von den würzigen Gerüchen aus der gegenüberliegenden Fleisch- und Wurstfabrik des Fritze Ahrberg, die Südstädterin aus der Meterstraße an der Pauluskirche, in Hamburg geheiratet. Die Hochzeit wurde stilvoll in einer der ersten Adressen des gastronomischen Hamburg, im Hotel Atlantik, gefeiert. Die Jungvermählten ahnten nicht, daß nur wenige Jahre später die Hotellerie statt des Schiffbaus zu ihrem Lebensunterhalt beisteuern sollte.
In Erinnerung an schönere Stunden fuhr Milter denn auch zu ersten Geschäftsanbahnungen mit seinen künstlerischen Speisekarten von Pyrmont in die ebenfalls von Luftangriffen schwer gezeichnete Hansestadt. Doch nicht dort, sondern im heimatlichen Hannover konnte er einen ersten geschäftlichen Erfolg verbuchen.
Als er am Abend des 27. August wieder zurück aus Hannover in Pyrmont war, legte er seiner Frau und Geschäftspartnerin Ilse freudestrahlend einen Vertrag auf den Tisch. Er war unterschrieben vom Geschäftsführer des Café Kröpcke über die Lieferung der künstlerisch gestalteten Speisekarten. Ihre Besonderheit waren nicht nur die vornehmen schweinsledernen Hüllen, die den Anspruch dieses Hauses im Herzen Hannovers widerspiegelten, den man sich mit dem weit über Hannover bekannten traditionell guten Ruf über Krieg und Notzeiten bewahrt hatte. Von dem einstigen pavillonartigen Gebäude existierte seit dem Juni-Angriff von 1943, als auch das Opernhaus nebenan ein Raub der Flammen wurde, nichts mehr. Zur neuen Deutschen Exportmesse weit draußen auf dem Leichtmetallgelände in Laatzen, die die britische Besatzungsmacht den Deutschen befohlen hatte, waren die Überreste abgeräumt worden. Das Café, das ein städtischer Betrieb war, hatte sich auch als provisorischer Zeltbau mit dem Garten auf der Opernseite und den mächtigen alten Bäumen sofort wieder zu einem Anziehungspunkt für Hannoveraner und Besucher entwickelt.
Für Milter war es eine ideale Startplattform. Auf die bis dahin ungenutzte Seite der Speisekarte ließ er einen ersten Kalender der Veranstaltungstermine in Hannover drucken, garniert von Inseraten. Jeden Morgen fuhr er mit der Deutschen Reichsbahn von Pyrmont nach Hannover. Klinkenputzen gehörte zu seiner hauptsächlichenArbeit. Er mußte potentielle Anzeigenkunden aufspüren und sie überzeugen, das neue Medium zu nutzen. An manchen Morgen war seine Aktentasche auf dem Weg nach Hannover im wahrsten Sinne des Wortes bleischwer. Er ließ in einer Pyrmonter Druckerei den Text des Veranstaltungskalenders und der Inserate setzen. Das geschah in Bleilsatz, und den verwendete man zum Druck in Hannover. Um den kaufmännischen Teil des jungen Unternehmens kümmerte sich Ilse Milter in Bad Pyrmont.
Innerhalb relativ kurzer Zeit zeichnete sich ein Erfolg der Idee ab, den Café-Besuchern nicht nur eine Auswahl von Speisen und Getränken, sondern auch die Termine unterschiedlichster Veranstaltungen mit der Werbung für einschlägige Produkte hannoverscher Firmen anzubieten. Zu den Inserenten zählten die traditionsreiche Kaffeerösterei Eichhorn mit einem Eichhörnchen als Firmensymbol, der Feinkosthersteller Heinz Appel mit einem dicken roten Hummer, die Fleischerei Clauss.
Milter akquirierte so erfolgreich, daß schon ein Jahr nach dem Start das eine Blatt nicht mehr ausreichte. Auf vier Seiten erschienen außer den Terminen kurze Texte und die Anzeigen als finanzielle Basis der Publikation.
Der nächste folgerichtige Schritt war, dem Ganzen einen einprägsamen Titel zu geben. Da Milters Lokalanzeiger wöchentlich erschien, lag es nahe "8 Tage Hannover "zu nehmen. Damit war präzise ausgesagt, was auf den Seiten geboten wurde. Ihre Auflage verdoppelte und vervierfachte sich. Nicht zuletzt durch eine rasch zunehmende Verbreitung von 8 Tage Hannover wuchs die Auflage. Immer mehr Abnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe und auch in anderen Branchen konnten gewonnen werden.
Unterstützt wurde Milter durch einflußreiche Persönlichkeiten in Hannover wie dem Oberstadtdirektor und Vorsitzenden des Verkehrsvereins, Karl Wiechert, dem Stadtdirektor Otto Ernst oder dem Unternehmer und als  Kunstmäzen in der Kestner-Gesellschaft engagierten Heinz Appel.
Vor allem aber gelang es dem Jungverleger Gerhard Milter, die Deutsche Messe AG als Bezieher zu gewinnen. Innerhalb von nur wenigen Jahren war die Messe mit ihren Großveranstaltungen, deren Aussteller- und Besucherzahlen steil anstiegen, zu Ereignissen mit Weltruf geworden. Die Aussteller wurden mit den auch im Format sich vergrößernden Milterschen Heften beliefert. Eine breite Leserschaft wurde erreicht. Nach dem international griffigen Titel Hannover Fair Hannover Messe nannte Milter seinen prächtig gedeihenden Sprößling bald darauf HANNOVER WOCHE, der Name, der sich bis heute fest eingeprägt hat.
Die HANNOVER WOCHE ist in den Jahrzehnten zu einer Institution geworden. Die vielen Ausgaben - heute sind es 12 im Jahr - haben einen einzigartigen Quellenwert für jeden, der sich mit der jüngsten Geschichte Hannovers beschäftigt. Denn in der Zeitschrift findet sich eine Fülle von Wissenswertem aus den unterschiedlichsten Gebieten wieder. Wer was wann auf den hannoverschen Bühnen, viele davon vergessen wie das Theater im Keller des zerstörten Mellini in der Artilleriestraße, die in Kurt-Schumacher-Straße umbenannt wurde, gespielt hat. Ein Reigen von Kunstausstellungen, ein Querschnitt durch die Moderne, die großen Filmpremieren in der Georg- und Bahnhofstraße, als die Hannoveraner noch 45 Kinos zur Auswahl hatten. Kleinkunst, Kabaretts, Varietes, Nachtbars mit den ersten züchtigen Stripperinnen. Die Veränderungen der Stadtlandschaft sind ebenso ablesbar wie die der Wirtschaft.
Ohne sich diese Aufgabe bewußt gestellt zu haben, wurde Gerhard Milter mit seiner sich immer weiteren Bereichen des städtischen Lebens widmenden Zeitschrift zu einem Lokalchronisten. Mit dem zunehmenden Seitenumfang und den unterschiedlichen Objekten der Berichterstattung und der Kritik konnte er das nicht mehr allein bewältigen. Er konnte und kann auf die Mitarbeit aus dem Kreis der hannoverschen Journalisten und auch auf Beiträge fachlich besonders kenntnisreicher Mitarbeiter  bauen, die keine journalistischen Profis sind.
Ob bei Landes- oder Kommunalpolitikern, der Ärzteschaft oder den Banken - Gerhard Milter war weithin bekannt und beliebt. Heute repräsentiert seine Tochter, Sigrid Lappe, das traditionsreiche Blatt. Sie ist redaktionell tätig und sitzt vor dem Erscheinen jeder neuen Ausgabe nächtelang am Bildschirm um die Seiten zu gestalten. Bei ihr ist auch künftig die HANNOVER WOCHE in guten Händen. Die Titel und der Inhalt der Ausgaben belegen es.
In den vergangenen über 60 Jahren haben Wettbewerber mehrfach versucht, die HANNOVER WOCHE zu verdrängen. Es ist ihnen nicht gelungen. Mehr als fünf Millionen Exemplare sind von ihr und der Vorgängerin erschienen. Wieviele Menschen sie gelesen haben ist auch nicht annähernd zu schätzen. Sicher ist, daß in den kommenden Jahren beide Zahlen, die der Auflage und der Leser, weitersteigen werden. In einer fernen Zukunft wird die HANNOVER WOCHE wieder in die Hände Neugieriger gelangen, wenn Archäologen etliche Grundsteine bedeutender Bauten finden, unter dem Portikus der Musikhochschule, des Kröpcke Centers oder der Nord/LB. Als Zeitdokument ist die HANNOVER WOCHE in Dutzenden von Grundsteinen eingemauert.

Dieter Tasch